So erkenne ich einen guten Beteiligungsprozess – mit Checkliste
Deshalb sind Qualitätsmerkmale und Standards essentiell
- Ziele und Leitplanken müssen von Anfang an klar dokumentiert und allen Beteiligten kommuniziert sein, damit der Prozess gelingt.
- Erwartungsmanagement ist der Schlüssel für die Motivation der Bürgerinnen und Bürger in einem Beteiligungsprozess.
- Die richtigen Personen – vom Fachpersonal der Behörden über einen breiten Querschnitt der Bevölkerung – arbeiten zur richtigen Zeit wertschätzend und transparent an einem Thema.
Warum ein Beteiligungsprozess wichtig ist
OB Beteiligung innerhalb politischer Prozesse passiert, das ist inzwischen keine Frage mehr. Es geht um das WIE: Wie bindet man alle wichtigen Stakeholder in einen Beteiligungsprozess ein? Durch die Etablierung von Standards und Qualitätsmerkmale werden Prozesse von Beginn an auf Sinn und Effizienz bewertet. Beteiligung kann somit selbst zum Standard in der Verwaltung werden, vor allem in Kommunen oder auf Landesebene.
Je öfter der Prozess durchlaufen wird, umso besser kann dieser individuell weiterentwickelt werden. Jede Iteration hilft, Beteiligung noch zielgruppen- und themenangepasster durchzuführen. Die Basis – sozusagen das stabile Gerüst, auf das gebaut werden kann – ist dabei immer gleich. Huy Tran-Karcher von der ifok GmbH, erfahrener Berater für Bürgerbeteiligung und Demokratieentwicklung, beleuchtet in einer Coffee Lecture genau diese Basis. Erfahren Sie im Folgenden, was notwendig ist, damit Ihre Beteiligung eine erfolgreiche Beteiligung wird.
Übrigens: Wir stellen Ihnen hierfür auch eine Checkliste am Ende des Beitrages zur Verfügung. Damit sind Sie für den nächsten Beteiligungsprozess optimal vorbereitet.
Klare Zielsetzung und definierter Rahmen des Beteiligungsprozesses
Beteiligung ist stets mit einem Ziel verbunden. Allen Mitwirkenden ist bei einem guten Prozess dieses Ziel auch klar. Es bedeutet nicht, dass während einer Partizipation ein sofort umsetzbares Ergebnis erarbeitet werden muss. Auch ein ergebnisoffener Prozess ist möglich – wenn eben genau dies das Ziel der Beteiligten ist.
Zudem sind die administrativen Kenngrößen wichtig; also wie ist der Rahmen für den Prozess gestaltet. Weitergehende Informationen gibt es auch in diesem Beitrag „Wie man Beteiligungsprozesse richtig auf- und umsetzt“. Kurz gefasst stellt sich das wie folgt dar:
Zuständigkeit prüfen und Gestaltungsrahmen festlegen
- Prüfen: Ist die Behörde überhaupt für das Beteiligungsverfahren zuständig? Es ist im späteren Verlauf sehr schwierig, politische Zuständigkeiten zu korrigieren. Es gilt, die Verantwortlichkeit klar zu definieren.
Form der Ergebnisverwendung als Ziel definieren
- Die Zuständigkeit und die damit verbundenen Möglichkeiten müssen von Anfang an transparent an die Bürgerinnen und Bürger kommuniziert werden, um die Erwartungen zu moderieren.
Bürgerbeteiligung zum richtigen Zeitpunkt durchführen
- Wann ist der wirksamste Zeitpunkt für die Bürgerbeteiligung? Meist früh im Projekt, um das Beteiligungsparadoxon aufzulösen. Zu Beginn einer Beteiligung gibt es die meisten Möglichkeiten einer Einflussnahme, allerdings ist da häufig das Interesse an der Mitwirkung in der Bevölkerung gering. Je mehr der Prozess voranschreitet, umso weniger kann Einfluss genommen werden, aber umso größer das Interesse. Wer zeitig beteiligt, kann das Interesse langfristig besser steuern.
Umfang und Eckpunkte des Bürgerbeteiligungsverfahrens festlegen
- Eine Konzeption ist das A und O für die Partizipation: Darin werden Ziele, Meilensteine und Grundbedingungen für das Projekt festgehalten. Es ist empfehlenswert, auf eine gewisse Flexibilität zu achten, um offen für Ergänzungen zu sein, die erst im Lauf des Verfahrens sichtbar werden.
Ausreichende Ressourcen und Kompetenzen sichern
- Nicht zu unterschätzen sind die Ressourcen, die für eine Beteiligung gebraucht werden. Das kann durchaus ein größerer Aufwand sein, der sowohl finanziell als auch zeitlich Ressourcen erfordert. Zudem: Das Fachpersonal einer Behörde zu diesem Thema sollte bereits in das Konzept für den Beteiligungsprozess eingebunden werden.
Das Verfahren vorbereiten: Zusammenarbeit der Behörden, Auswahl der Teilnehmenden und des Beteiligungsformates
Partizipationsbeauftragte, Koordinierungsstellen, Beteiligungsreferate – es gibt eine Reihe von Fachleuten in Kommunen, auf Bundes- oder Landesebene, die Spezialwissen zu Beteiligungsverfahren anbieten. Sie wirken eng und mit einer klaren Arbeitsteilung für ihr jeweiliges Fachgebiet mit den für die inhaltlichen Fragen Verantwortlichen zusammen. Expertise für Beteiligung trifft auf Expertise zum eigentlichen Thema.
Gibt es Standards für die Einbindung der Bürgerschaft? Ja und nein: Die Anwendung der standardisierten Verfahren zur Gewinnung der Bürgerinnen und Bürger empfiehlt sich unbedingt, sei es über Selbstauswahl oder Zufallsauswahl. Jedoch kann niemand zu einer Mitarbeit verpflichtet werden. Der Prozess benötigt in der Regel also individuelle Anstrengungen, um die Teilnehmenden zu motivieren.
Die Zufallsauswahl, zum Beispiel via Anschreiben durch Auszug aus dem Einwohnerregister, stellt daher für viele Beteiligungsthemen das bessere Verfahren dar. Hier können auch bildungsferne oder marginalisierte Gruppen gut erreicht werden. Die Gesellschaft wird umfassend abgebildet und es fließen Meinungen ein, die sonst wenig gehört werden.
Die Vorteile der Selbstauswahl, die beispielsweise über persönliche Ansprachen in Verbänden oder Vereinen erfolgt, sind die hohe Motivation von Beginn an und bereits vorhandenes Fachwissen zum Beteiligungsgegenstand.
Wichtig zu wissen: Viele Menschen haben wenig Erfahrung mit politischen Prozessen, weshalb Hürden wie eine zu fachliche Sprache abgebaut oder die genaue Definition ihrer Rolle in dem Verfahren deutlich sein muss.
Schließlich geht es um die Entscheidung zum Format der Beteiligung. Planungszellen? Bürgerrat? Bürgerkonferenzen? Zukunftswerkstätten? Onlineangebote wie Beteiligung NRW? Das Format muss zum Inhalt und auch zu den Teilnehmenden passen. Einige Tipps dazu gibt es auch im Beitrag zu den Grundregeln zur Aktivierung von Zielgruppen.
Die Durchführung der Beteiligung: Sichern der Verfahrensqualität
Die Vorbereitungen sind erledigt, die praktische Umsetzung des Prozesses steht an. Von Beginn müssen allen Beteiligten die möglichen Gestaltungsspielräume klar vermittelt werden. Beteiligung lebt vom Kompromiss und auch den rechtlich-fachlichen Vorgaben. Werden die Erwartungen aller nicht stetig abgeglichen, kann es zu Missverständnissen und Frustration der Teilnehmenden kommen.
Unterstützt wird der Prozess durch eine neutrale Moderation: Die Moderation hat eine zentrale Funktion. Sie strukturiert und fokussiert die Diskussion und sie dokumentiert die Inhalte. Empfehlenswert ist es, die Moderation in professionelle Hände zu geben. Der Dienstleister vertritt dabei nicht die Inhalte oder Standpunkte der Behörde, sondern wirkt unterstützend und sorgt zugleich für einen systematisierten Ablauf. Durch Spezialisten kann eine Qualitätssteigerung erfolgen, weil diese eine spezielle Ausbildung haben, z. B. in der Moderation.
Während der gesamten Umsetzung einer Beteiligung sollte der Auftraggeber im Kontakt mit den Beteiligten bleiben. Es kommt vor, dass Dienstleister Verfahrensschritte übernehmen. Trotzdem ist es dann wichtig, Präsenz zu zeigen, um die Wertschätzung für die Teilnehmenden zu bekunden und auch für Rückfragen zu Verfügung zu stehen.
Apropos Kommunikation: Sie beansprucht zwar viele Ressourcen, ist jedoch einer der größten Hebel für das Gelingen eines Beteiligungsprozesses. Wie muss Kommunikation dafür gestaltet sein?
- Sprechen Sie die Sprache der Zielgruppe (Fachbegriffe verständlich erklären, reine Verwaltungsbegriffe vermeiden).
- Bleiben Sie im regelmäßigen Austausch mit den Teilnehmenden und den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern (transparent Zwischenergebnisse präsentieren).
- Beziehen Sie bei Bedarf die erweiterte Öffentlichkeit mit ein (bei aufmerksamkeitsstarken Themen z. B.).
- Kommunikation muss bereits im Konzept mitgedacht und im Verlauf des Prozesses kontinuierlich gesteuert werden (alle Beteiligten einbeziehen und einen für alle passenden Modus Operandi finden).
Die Evaluation und Ergebnispräsentation: Aus Erfahrungen lernen
Jeder Schritt, jede Veranstaltung im Beteiligungsprozess wird durch Protokolle dokumentiert. Für den internen Bereich ist das vor allem für den Stand und Fortschritt im Projekt wichtig. Die externe Ergebnisverwertung, die in den politischen Entscheidungsprozess einfließt, kann als zum Beispiel Bürgergutachten oder -empfehlung aufbereitet werden. Sie wird der Öffentlichkeit vorgestellt. Dabei muss die Verwendung der Ergebnisse begründet und über die folgenden Schritte nach dem Verfahren informiert werden.
Zur Evaluation gehören auch die Lessons Learned aus dem kompletten Beteiligungsprozess. Damit lassen sich Erkenntnisse für das nächste Beteiligungsverfahren gewinnen und Fehler vermeiden.
Fazit: Standards unterstützen bei einem erfolgreichen Beteiligungsprozess
Soll Bürgerbeteiligung in Kommunen, Land und darüber hinaus gelingen, braucht es von Beginn an ein strukturiertes Vorgehen. Die Vorbereitung durch klare Zielsetzungen und das Bereitstellen von Ressourcen ist für die Qualitätssicherung ebenso notwendig wie die Umsetzung des Verfahrens selbst. Eine ausführliche Aufbereitung der Ergebnisse hilft bei zukünftigen Verfahren.
Der Prozess muss bei allen Schritten mit passender Kommunikation begleitet werden. Sie sorgt für Transparenz, Informationsaustausch und nicht zuletzt für das Vertrauen in den Beteiligungsprozess selbst.
Hier finden Sie unsere Checkliste mit allen Punkten für Standards in einem guten Beteiligungsprozess.
Wir danken Huy Tran-Karcher für seine Ausführungen und die übersichtliche Aufbereitung der Qualitätsmerkmale im Beteiligungsprozess.