Von Orangen und 4 Ohren: Tipps für schwierige Gesprächssituationen

Orangen als Symbolbild für das Theoriemodell einer guten Kommunikation zwischen Menschen

Von Orangen und 4 Ohren: Tipps für schwierige Gesprächssituationen

Hilfreiche Modelle der Kommunikation – neue Arbeitsroutinen durch Einführung von Open-Government-Vorhaben kommunizieren

Um Missverständnissen in der Kommunikation vorzubeugen, ist es wichtig, die Motivation dahinter zu verstehen. Diese Modelle unterstützen dabei.

Thema:
Zusammenarbeit
Format:
Praxistipps
Zuletzt geändert am 27. Mai 2024
Icon Wissen
  • Die Einführung von Inhalten wie Open Government benötigen Verständnis. Durch die gute Kommunikation kommt eine bessere Nachvollziehbarkeit – und damit eine bessere Umsetzung
     
  • In einem Gespräch transportieren Wörter allein noch nicht die Aussage dahinter – hier helfen Theoriemodelle, die menschliche Kommunikation zu verstehen und besser reagieren zu können.
     
  • Auf verborgene Bedürfnisse, Interessen und implizite Annahmen von Menschen einzugehen, hilft dabei, Gespräche zur Zufriedenheit aller Beteiligten zu führen.

Notwendige Veränderungsprozesse bei der Einführung von Open Government

Hintergrundwissen zu Kommunikationsprozessen ermöglicht es den Beteiligten bei Einführung neuer Prozesse im Bereich Open Government – aber auch darüber hinaus –, Konflikte oder Missverständnisse in der Absprache mit Kolleginnen und Kollegen zu minimieren. Besseres Verständnis bedeutet bessere Umsetzung.

Open Government steht für Transparenz, Bürgerbeteiligung und effektiver Prozesse. Es heißt aber auch, dass durch die aktivere Beteiligung der Bevölkerung an politischen Entscheidungen, die Beschäftigten der Verwaltung in einen intensiveren Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern gehen müssen. Es ist nicht nur eine Umstellung im bisherigen Arbeitsalltag, es bedeutet zudem: Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeiter rücken zum Teil kommunikativ in den Fokus der Öffentlichkeit. Welche Informationen sollten wann und auf welche Weise kommuniziert werden? Wie gehe ich mit Krisenkommunikation um? Welche Methoden zum besseren Verstehen kann ich anwenden?   

In unserem Beitrag zum Veränderungsprozess haben wir die wiederkehrenden Muster mit bestimmten Phasen der Veränderung beschrieben. Ähnlich verhält es sich bei der Kommunikation: Widerstand, Offenheit, Leugnung oder Integration können beispielsweise auftreten. Daher ist es wichtig, sich auf schwierige Gesprächssituationen unter Kolleginnen und Kollegen bzw. mit Bürgerinnen und Bürgern mental vorzubereiten.

Kenne Sie die „Kniffe“ der menschlichen Kommunikation, können Sie aktiv auf die mitschwingenden Ängste, Sorgen und Bedenken in den Äußerungen in Ihrem Umfeld eingehen und Lösungen herbeiführen.

Was steckt dahinter? Interessen hinter der Aussage entdecken

Das Beispiel mit der Orange kennen viele: Zwei streiten um die letzten Orange. Beide beharren auf ihrer Forderung. Die Lösung ist zum Glück schnell gefunden, sie liegt ja auf der Hand: Jeder bekommt eine halbe. Nur warum gucken dann beide immer noch unglücklich?

Nun: Die naheliegendste Lösung war leider nicht diejenige, welche die dahinterliegenden Interessen der Menschen berücksichtigt hat. Es ist nicht immer für Außenstehende klar, was das Interesse an einer Sache für jeden einzelnen ist. Was hilft? Darüber sprechen.

In einem Gespräch über die nicht direkt sichtbaren Interessen hätte man herausfinden können, dass die eine Person etwas ganz anderes wollte als die andere – die eine die Schale, um diese für Hobby-Bastelarbeiten zu trocknen, die andere den Saft. Eine bessere Lösung wäre also möglich gewesen.

So ist es in der Kommunikation oft: Wir treffen Annahmen über die Wünsche und Forderungen der Gesprächspartnerin oder des -partners, machen uns unser Bild und übersehen dabei, die dahinterliegende Motivation zu bearbeiten.

Ungefähr 20% unserer Kommunikation ist unmittelbar sichtbar und erkennbar. Dazu gehören Positionen und Forderungen, Fakten, Wörter in ihrer festgelegten Bedeutung. Der Rest, rund 80%, sind Interessen, Erwartungen, Unsicherheiten und implizite Annahmen, die von außen nicht sichtbar sind. Ganz so wie bei einem Eisberg, weshalb man dieses Kommunikationsmodell auch Iceberg Theory nennt.

Das „Iceberg Model“ visualisiert die Therorie, dass nur 20% der Kommunikation sichtbar sind. In der Grafik wird der Eisberg in zwei Bereiche eingeteilt. Über Wasser befindet sich der sichtbare Bereich: Nur ca. 20% unserer Interaktionen sind „sichtbar“ (darunter auch: artikulierte Forderungen, Positionen). Unter Wasser befindet sich der unsichtbare Bereich:  Interessen, Erwartungen, Unsicherheiten, implizite Annahmen etc. sind „von außen nicht sichtbar“.
Quelle: Erstellt durch ifok GmbH/Ina Gamp. Visualisierung der Iceberg Theory bzw. des Iceberg Model. Ein bekanntes Kommunikationsmodell aus der Psychologie auf Basis der Überlegungen von Freud und Hemmingway.

 

Ein Beispiel: Sie wollen eine Prozessänderung in der Verwaltung umsetzen und erfahren Ablehnung. „Der Prozess passt nicht zu in unseren Abläufen und ist so nicht umsetzbar.“ Das klingt sehr absolut, die Ablehnung wird sachlich begründet. Dahinter könnte aber stehen: „Ich habe das Thema noch nicht ausreichend verstanden und möchte stärker informiert und an der Ausarbeitung beteiligt werden.“ Dieses Bedürfnis lässt sich mit unterschiedlichen Methoden herausfinden.

Das Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun („Vier-Ohren-Modell”)

Fangen wir mit dem Kommunikationsquadrat an, dem berühmtesten Modell von Friedemann Schulz von Thun, auch bekannt als „Vier-Ohren-Modell” oder „Nachrichtenquadrat”. Dieses besagt, dass ich als Senderin oder Sender eine Botschaft auf vier Ebenen kommuniziere:

  • Sachebene
  • Appell
  • Beziehung
  • Selbstkundgabe

Auf eine Beispielaussage „Der Prozess ist nicht umsetzbar“ bezogen, ist der Sachinhalt klar. Hier steckt aber noch viel mehr drin: Der Appell könnte sein „Helfen Sie mir, Ihren Prozess zu verstehen.“ Oder „Ändern Sie das!“ Die Selbstkundgabe der Aussicht schwingt auch gleich mit: „Ich brauche Hilfe, ich verstehe es nicht.“ oder „Ich bin nicht bereit das zu akzeptieren.“ Nicht zuletzt steckt ein Beziehungshinweis drin „Ich erwarte von Ihnen, mir diese Dinge besser zu erklären“. Der Sprecher hat gewissermaßen vier Münder.

Das Kommunikationsquadrat beschreibt 4 Äußerungen. 1. Sachinhalt: Worüber ich informiere. 2. Selbstkundgabe: Was ich von mir zu erkennen gebe. 3. Appell: Was ich bei dir erreichen möchte. 4. Beziehungshinweis: Was ich von dir halte und wie ich zu dir stehe.
Quelle: Erstellt durch ifok GmbH/Ina Gamp. Visualisierung des Kommunikationsquadrats von Schulz von Thun (auch „Vier-Seiten-Modell“).

 

Allerdings haben Sie als Empfänger auch vier Ohren. Sie hören einen Sachinhalt und prüfen diesen, fragen sich, ob er wahr oder unwahr sein kann. Auch den Appell nehmen Sie zur Kenntnis und sortieren ihn für sich ein: „Wir sollten den Prozess neu erarbeiten.“ könnte als Botschaft bei Ihnen angekommen sein. Auf der Ebene der Selbstkundgabe hören Sie vielleicht: „Er mag keine Neuerungen.“ oder „Er hat es noch nicht verstanden.“. Und der wahrgenommene Beziehungshinweis könnte auch so klingen „Wir müssen stärker alle Betroffenen beteiligen und mitnehmen.“

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Auf der Metaebene betrachtet, bedeutet das Folgendes:
Bei der Einführung von Open Government handelt es sich um einen komplexen Veränderungsprozess, der eine offene und transparente Informationskultur erfordert. Durch das Kommunikationsquadrat können die Mitarbeiter auf vier Ebenen angesprochen werden. Jede dieser Ebenen spielt eine wichtige Rolle, um Veränderungen erfolgreich zu vermitteln und zu implementieren.

Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter verstehen, was Open Government bedeutet, wie es in der Verwaltung eingesetzt wird und welche Vorteile es mit sich bringt. Hier geht es um die klare und verständliche Vermittlung von Wissen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können Bedenken, Ängste oder bestimmte Erwartungen haben. Durch ein offenes und einfühlsames Zuhören können diese Aspekte erkannt und ernst genommen werden. Die Führungskräfte sowie Kolleginnen und Kollegen können so auf individuelle Bedürfnisse eingehen und gezielt Unterstützung bieten.

Das zwischenmenschliche Verhältnis und die Zusammenarbeit zwischen den Mitarbeitern ist ernst zu nehmen, während die neuen Prozesse eingeführt werden. Offene und vertrauensvolle Kommunikation ist hier entscheidend, um ein Klima des Miteinanders zu schaffen und die neuen Routinen dauerhaft umsetzbar zu gestalten. Durch den Einsatz des Kommunikationsquadrats können mögliche Konflikte oder Spannungen aufgedeckt und in konstruktive Bahnen gelenkt werden. Alle Betroffenen fühlen sich gehört und einbezogen, was die Akzeptanz und das Engagement für die Veränderung steigert.

Der Appell schließlich bezieht sich auf die Handlungsaufforderungen und Erwartungen, die im Rahmen des Veränderungsprozesses an die Mitarbeiter gestellt werden. Klar formulierte Ziele, klare Zuständigkeiten und transparente Kommunikation über den Prozess sind hier von großer Bedeutung. Das Kommunikationsquadrat ermöglicht es, diese Appelle auf eine angemessene und verständliche Weise zu vermitteln, sodass die Mitarbeiter wissen, was von ihnen erwartet wird und wie sie ihren Beitrag zur erfolgreichen Umsetzung des Veränderungsprozesses leisten können.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das Kommunikationsquadrat von Friedemann Schulz von Thun bei der Einführung von Open Government eine wertvolle Methode darstellt. Es ermöglicht eine ganzheitliche und bewusste Kommunikation auf verschiedenen Ebenen und trägt so dazu bei, dass die Veränderung dauerhaft in die Arbeitsroutinen aller Mitarbeitenden verankert werden kann.

Dieses Hintergrundwissen hilft Ihnen, Ihre Annahmen zu hinterfragen. Gehen Sie ins Gespräch, um dem gemeinsamen Verständnis möglichst nahe zu kommen und die vier Münder und Ohren möglichst deckungsgleich zu bekommen.

Konstruktiv Synergien erzielen – das Harvard-Konzept​

Sie haben nicht immer nur „einfache“ und bilaterale Gesprächssituationen. Schwierige Auseinandersetzungen über einen längeren Zeitraum oder knallharte Verhandlungen um eine Sache kommen immer wieder vor. Die grundlegende Frage ist, herauszufinden, wie diese Differenzen konstruktiv und effizient überwunden werden können. Wie können Sie eine Übereinkunft erreichen, ohne in ein Streitgespräch verwickelt oder in eine Bittsteller-Position gedrängt zu werden?

Auch hier ist es grundlegend, die dahinterliegenden Interessen der Personen zu verhandeln, nicht also in deren Forderungen oder Positionen bereits 100% des Verhandlungsgegenstandes zu sehen. Dies ist einer der Kernpunkte des Harvard-Konzeptes, inzwischen ein Klassiker der Streitschlichtung und Verhandlungsführung. Dazu gibt auch die Empfehlung, Sach- und Beziehungs-Ohr bzw. -Mund zu trennen: „Sei hart in der Sache, aber weich zu den Menschen.“

Wenn Sie Ihre inhaltlichen Punkte klar und sachlich benennen und gleichzeitig ein großes Ohr für die Bedürfnisse des Verhandlungspartners haben, eröffnen sich oft Lösungsoptionen. Nehmen Sie Abstand von „Entweder-oder“-Debatten und suchen Sie nach „Sowohl-als-auch“-Varianten der Problemlösungen. Auf der gemeinsamen Suche nach einer Win-Win-Situation muss das Prinzip gelten, dass das Ergebnis von beiden Seiten als fair und neutral betrachtet wird. Natürlich ist das nicht immer einfach und operativ umsetzbar, aber es hilft als Prinzip und Haltung, damit Ihr Gegenüber sich ernst genommen fühlt.

Die Grafik zeigt die Harvard-Methode, mit der sich konstruktiv Synergien erzielen lassen. Folgende 4 Punkte werden dargestellt: 1. Menschen und Probleme getrennt voneinander behandeln. 2. Die Interessen der Beteiligten verhandeln – nicht deren Positionen. 3. Alternativen entwickeln, die für beide Seiten eine Win-Win-Situation darstellen. 4. Das Ergebnis muss für beide Seiten als fair und neutral beurteilt werden.
Quelle: Erstellt durch ifok GmbH/Ina Gamp. Visualisierung der Harvard Methode. Roger Fisher, William Ury, Bruce M. Patton (Hrsg.): Das Harvard-Konzept. Der Klassiker der Verhandlungstechnik. Campus-Verlag, Frankfurt am Main / New York 1984; 24. Auflage 2013.

 

Nicht unerheblich dabei ist der Aspekt, dass die hierarchische Organisation in der Verwaltung oft dazu führt, dass Verhandlungen nicht gleichberechtigt geführt werden können – im Zweifel sticht die höhere Hierarchieebene. Das wissen alle Beteiligten am Tisch – immer können Sie aber menschlich auf Augenhöhe verhandeln und Win-Win-Lösungen und faire Ergebnisse anstreben.

Gute Kommunikation erfordert gute Vorbereitung: 3 wichtige Schritte für die Krisenkommunikation

Zur Vorbereitung Ihres Gesprächs können Ihnen diese drei Schritte helfen:

  1. Gesprächsziel definieren 
  • Was wollen Sie im Gespräch erreichen – was ist der „Verhandlungsgegenstand“?​
  • Was stellt einen maximalen Gesprächs- oder Verhandlungserfolg dar?​
  • Was ist die „rote Linie“ für Sie?​

 

  1. Interesse und Sichtweisen des Anderen antizipieren
  • Welchen Wissenshintergrund bringt Ihr Gegenüber mit?​
  • Welche Position wird Ihr Gegenüber wahrscheinlich einnehmen? ​
  • Was könnte das dahinter liegende Interesse sein?

 

  1. Strategie und Argumente festlegen 
  • Was sind die größten Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken Ihres Anliegens?​
  • Was ist Ihre nächstbeste Alternative (Ihr “Plan B”), falls die Verhandlung scheitert? 

Fazit zur Kommunikation in schwierigen Gesprächssituationen

Grafik Fazit mit Symbol-Icon

Bei der Einführung von Open Government handelt es sich um einen komplexen Veränderungsprozess, der eine offene und transparente Informationskultur erfordert. Die gezeigten Kommunikationsmodelle sollen helfen, MitarbeiterInnen zu verstehen und auf diese einzugehen und effektiv zu kommunizieren.

Die Komplexität menschlicher Kommunikation anzuerkennen, hilft dabei, nicht überrascht zu werden. Der sachliche Inhalt einer Aussage ist nur ein Bruchteil der gesamten Botschaft, wie das 4-Ohren-Modell darlegt. Das Harvard-Konzept lehrt uns weitere Prinzipien, die in schwierigen Gesprächssituation Anwendung finden sollten. Wenn wir auf Krisengespräche adäquat vorbereitet sind und versuchen, uns in andere hineinzuversetzen, können auch diese Situationen gut gemeistert werden. Hilfreich ist auch der Grundsatz, eine Win-Win-Lösung anzustreben.